bioland 10/2017
Markt & Management Blick auf den Markt
Harald Rinklin vertritt den Handel im Beirat Herstellung Vermarktung Handel von Bioland.
Zu seinem neuen Posten und dem geplanten Leitbild, das für alle Bioland-Handelspartner gemeinsam gelten soll, also auch für den allgemeinen Lebensmitteleinzelhandel, hat Annegret Grafen für die Bioland Fachzeitschrift mit ihm gesprochen (Ausgabe 10/2017):
Harald Rinklin knüpft gerne Netze. Deshalb hat er eine Menge ehrenamtliche Funktionen inne. Seit diesem Jahr ist der Jungunternehmer zudem Vertreter des Handels im BiolandBeirat Herstellung Vermarktung Handel. Er habe sich über die Frage gefreut, ob er den Posten übernehmen will, sagt er: „Ich habe Bioland im Blut, der Verband ist mir emotional nah, ich will seine Arbeit unterstützen“. Kein Wunder: Er gehört zu einer Familie, in deren Adern seit drei Generationen Bioland fließt. Sein Großvater Wilhelm Rinklin gehörte 1971 in Eichstetten am Kaiserstuhl zu den Gründungsmitgliedern des Verbands. Dessen Sohn Wilhelm begann bereits 1975, mit BioLebensmitteln zu handeln, die nicht nur vom väterlichen Hof, sondern auch von Kollegen im Kaiserstühler BioNest stammten. Dies waren die frühen Anfänge der BioGroßhandel Rinklin Naturkost GmbH, der sich schnell zu einem der wichtigen, regional tätigen Großhändler in Deutschland entwickelt hat.
Regionales Schwergewicht
Heute findet man in Eichstetten ein Unternehmen mit rund 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 80 Millionen Euro vor. Gerade ist Baustelle, das Lager wurde noch einmal um die Hälfte auf nun 7.500 m 2 erweitert, ein neues Kühllager, Büro und Besprechungsräume sind hinzugekommen. Auch in die Lagerverwaltung wurde viel Geld investiert, sodass die Mitarbeiter heute beleglos mit Headset und Handscanner kommissionieren. Das Unternehmen beliefert rund 600 Läden und Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung. Der Bereich Gastronomie nimmt stark zu und macht inzwischen knapp zehn Prozent des Umsatzes aus.
„Insgesamt 40 Prozent Umsatz machen wir mit verbandsgebundener Ware, etwa ein Viertel mit Bioland Erzeugnissen“, erläutert Rinklin bei einem Rundgang durch die Lager. Die Kunden sitzen vor allem in BadenWürttemberg, in der südlichen Pfalz und im Saarland. Zunehmend kaufen auch elsässische Ladner bei Rinklin Naturkost ein. 2013 hat Wilhelm Rinklin das Unternehmen in die Hände seiner drei Söhne Armin, Jochen und Harald gegeben, die sich die Geschäftsführung seitdem teilen.
Voneinander lernen.
Als Sprecher des Handels im BiolandBeirat Herstellung Vermarktung Handel vertritt Harald Rinklin nun auch BiolandPartner, die seinem Unternehmen nur wenig ähneln. Bei Branchentreffen sitzt der überzeugte 100prozentige BioHändler mit den Vertretern von Handelsunternehmen wie Edeka und Tegut zusammen, die schwerpunktmäßig konventionelle Ware handeln und nicht ursprünglich aus der Bio Szene kommen. Dass er und andere BioFachhändler eine gewaltige Kröte schlucken mussten, als Bioland auch Partnerschaften mit Unternehmen des allgemeinen Lebensmitteleinzelhandels einging, merkt man ihm im Gespräch an. „Bioland war immer ein Verband für die Fachhändler“, meint er rückblickend. Seit ein paar Jahren ist es mit der Exklusivität vorbei. Die Anbaufläche ist stark gewachsen, die Strukturen des Fachhandels kamen nicht schnell genug hinterher, das sieht auch Rinklin so. Die Mitglieder des Verbands beschlossen, dass BiolandWare künftig auch durch andere Vertriebskanäle fließen soll.
„Jetzt schauen wir gemeinsam, wie wir weiterdenken können“, sagt der Großhändler. Auf jeden Fall sei es spannend und fruchtbar, mit Vertretern des allgemeinen Lebensmitteleinzelhandels an einem Tisch zu sitzen. „Wir Fachhändler sind, was das Sortiment und was die Überzeugung angeht, einen großen Schritt voraus“, meint Rinklin. Dafür könne man möglicherweise bei Edeka und Co. abschauen, wie Technik, Logistik oder Energieeffizienz zu verbessern sind: „Wenn wir gescheit miteinander schwätzen, können wir viel von diesen Strukturen lernen.“ Was die Zusammenarbeit angeht, ist er optimistisch: „In Sachen Bioland sind wir im selben Verein, da werden wir uns schon einig.“
Vom Leitbild leiten lassen
Genau wie die Hersteller (biolandFachmagazin 08/2017) wollen sich auch die BiolandHandelspartner nun ein Leitbild geben. Doch ist das überhaupt möglich, ein gemeinsames Leitbild für 100prozentige BioGroß und Einzelhändler und Unternehmen des allgemeinen LEH? „Nicht nur möglich, sondern auch nötig“, antwortet Rinklin. Spannend werde sein, wie viel Verbindlichkeit das Leitbild dann entwickelt. Ein großes konventionelles Handelshaus mit BioSchiene könne wegen des BiolandLeitbildes nicht seine ganze Firmenphilosophie verändern.
Doch das gilt auch andersherum. Wo die eine Seite sich nicht auf einen Mindestanteil Bio einlassen will, ist die andere beim Thema Regionalität zurückhaltend. „Wir Fachhändler wehren uns gegen die Regionalität als einzige Religion“, sagt Rinklin. Weil der regionale Bezug nicht auf Kosten der Qualität gehen dürfe: „Wenn ich aus Sachsen ein tolles Produkt kriege, handwerklich hergestellt, ohne regionale Alternative, dann will ich das auch handeln.“
Außer dem gemeinsamen Besserwerden entlang des Leitbildes ist dem BioGroßhändler allerdings auch ein anderer Aspekt wichtig: Auch der BiolandVerband möge sich künftig vom Leitbild leiten lassen, wenn es um die Auswahl neuer Partner geht.
„Wir sind vernetzter geworden“
Die Zukunft des BioFachhandels sieht der Jungunternehmer vom Kaiserstuhl mit gemischten Gefühlen. Der Strukturwandel läuft, zunehmend steigen externe Finanziers ein, OnlineAnbieter rüsten auf. Zumindest sehen sich die Händler vor großen Herausforderungen und gehen sie aktiv an. Womit man beim Thema Generationswechsel im Hause Rinklin wäre. Wo der Vater noch ein schlankes Unternehmen konzipiert habe, das „Ware von A nach B“ bringt, sieht der Sohn weitaus umfassendere Aufgaben für den BioGroßhandel: „Wir sind viel mehr Dienstleister über die Ware hinaus geworden, ein aktiverer Teil der Wertschöpfungskette.“ Dazu gehört, sowohl Lieferanten als auch die Einzelhändler zu beraten und, wenn gewünscht, Herstellungs und Vertriebsprozesse mitzugestalten. „Wir sind vernetzter geworden“, meint Rinklin. Ein Punkt, den man dem allgemeinen LEH, so sehr der sich auch Mühe um Bio gebe, sicher voraushabe. Dazu die Glaubwürdigkeit, die Überzeugung, die durchgängig ökologische Wertschöpfungskette. „Die Kunden wollen wissen, welche Handelsstufen im Vorfeld ihres Einkaufs stehen und welche Bedingungen dort gelten.“ Gerade diejenigen, die sich kritisch mit den neuen großen Playern wie Amazon auseinandersetzen. Hier habe der Fachhandel eindeutig die Nase vorn. Darüber zu reden, das lerne er gerade erst.